15. August 2014

Praktica MTL3 - Analog Kamera Review

Hallo alle zusammen,

füttert man unser aller lieblings Suchmaschine Google anstelle vom englischen "hipster camera" mit dem deutschen Terminus "Hipster Kamera", so bekommt man so ziemlich als erstes eine Praktica Kamera zu sehen. Man kann also behaupten, dass es sich bei den Prakticas um nicht viel weniger als "die" deutschte Hipsterkamera handelt. Aber was verbirgt sich hinter diesem Namen, den man heutzutage eher mit einem Baumarkt assoziiert?

Praktica ist eine Reihe von Spiegelreflexkameras, die zu Zeiten der Deutschen demokratischen Republik vom volkseigenem Betrieb Pentacon kurz VEB Pentacon produziert wurden oder einfach aus gedrückt, sie kommen aus der DDR. Dabei waren die Modelle aber nicht den Bewohnern des besseren Deutschlands vorbehalten, sondern wurden auch oft in die Bundesrepublik exportiert, da die DDR dringen Devisen benötigte.

Die MTL3 um die es hier geht wurde das erste mal in den späten Siebzigerjahre produziert aber zu Beginn der Achtziger dann auch wieder eingestellt. Es handelt sich bei ihr um eine recht einfache Verbraucher Kamera, die aber über eine TTL Messung durch das Objektiv unterstütz.


Einleitung


Aber genug Geschichte hier meine MTL3. Zugelegt habe ich mir meine im Spätsommer 2013, auf der Suche nach einer rein mechanischen Spiegelreflexkamera mit voll manueller Steuerung. Bezahlt habe ich für die Kamera ohne Objektiv damals 15 Euro, so um den Dreh schlagen sie sich auch noch aktuell.


Wie ihr sicher erahnen könnt, ist die MTL 3 etwas größer und um einiges schwerer als die Av-1 von Canon. Kein Wunder arbeiten in ihr doch Zahnräder anstelle von Elektronik.

Auch wenn ihre Grundkonstruktion aus Stahl besteht, so ist ihr äußeres Gehäuse leider nur aus metallisiertem Plastik. Einen all zu tiefen Sturz, auf allzu harten Untergrund sollte man also tunlichst vermeiden. Nichts desto trotz, sieht das silberne Gehäuse natürlich klasse aus und schreit seit Statement gerade zu in die Welt hinaus. Auch gut gefällt mir die Schokoladentafel Belederung der MTL 3 die einiges her macht, auch wenn er wenig mit Leder zu tun hat und aus reinem PVC besteht.


Das tolle an den meisten Kameras dieser Zeit, ist der M42 Objektivanschluss, diese klassische Schraubverbindung wurde von sehr vielen und meist auch seht unterschiedlichen Hersteller verwendet. So hat man mit der MTL 3 eine geradezu gigantische Auswahl, was Objektive angeht.

Ich habe mich damals pragmatisch für ein Auto Revuenon 55mm f1.7 entschieden, es war recht günstig und wie das Maginon der Av-1 auch sehr lichtstark. Auch wenn man noch dazu sagen muss, dass die Linsenkonstuktion nicht von Revue selber stammt sondern von Chinon. Revue hat nur beim Import seinen Namen drauf gestempelt. Gekostet hat mich das Objektiv damals knapp unter 15 Euro, leider sind die Dinger in letzter Zeit etwas teuer geworden, nachdem sich rumgesprochen hat, dass man M42 Objektive super an Canons digitaler Eos Serie verwenden kann.

Historisch betrachtet ist die Kombination aus ostdeutscher Kamera und japanischem Objektiv gar nicht mal so ungewöhnlich. Denn ein echter westdeutscher Sparfuchs, wäre mit dieser Kombination sehr günstig an eine sehr lichtstarke hochwertige Kamera gekommen. Andererseits gelangten auch einige Objektive aus Westdeutschland in den Osten, wo sie natürlich dann für Mondpreise zuhaben gewesen wären. Wer anstelle des "ich bin ein preisbewusster Wessi" den "ich bin an traditionsbewusster Ostler" Look haben will, der greift einfach zu einem Objektiv von Pentacon oder etwas edler zu einem von Carl Zeiss Jena. Diese sind dann zwar weniger lichtstark aber schärfer, als das Revuenon.


Bedienung der MTL3


Die MTL3 verfügt zwar nicht über eine Offenblendmessung aber das versucht sie durch ein interessanten Feature auszugleichen. Tippt man den schwarzen Taster über dem Auslöser leicht an, so misst eine CdS Zelle das durch das Objektiv fallende Licht. Was aber zu falschen Ergebnissen führen würde, da das Objektiv je nach eingestellter Blende beim Auslöser abblenden würde, was die Zelle nicht vorhersehen kann. Drückt man jedoch den schwarzen Taster ganz durch, so blendet das Objektiv ab und die Zelle misst das Licht, wie es bei einer Auslösung auf den Film fallen würde.


Dadurch, dass erst abgeblenden wird, wenn auch gemessen werden soll, kann man vorher in Ruhe offenblendig scharfstellen. Aber weiter mit den klassischen Bedienelementen. Um den Auslöser zu betätigen benötigt man zwar einen deutlichen Druck aber dafür hat er einen komfortablen Vordruck und einen deutlich spürbaren Druckpunkt. Der Spannhebel ist allerdings gewöhnungsbedürftig, er ist nämlich zum Ende  hin leichter als zum Beginn der Spannbewegung, auch muss der Hebel immer ganz durchgezogen werden, zweimal um die Hälfte des Weges Spannen wie bei Rollei 35 und Av-1 geht leider nicht. Dazu kommen noch ein Zählwerk auf dem man gut und deutlich ablesen kann, wie viele Bilder man bereits gemacht hat und ein Selbstauslöser mit recht mickrigen acht Sekunden, die wohl eher zur erschütterungsfreien Auslösung gedacht sind als für ein gut geplantes Selbstbildnis. Leider ist die MTL3 eher ein schlechter Kandidat für solche Aufnahmen, denn der Auslöser ist für die meisten Drahtauslöser viel zu stramm.


Das Rad zum Einstellen der Verschlusszeit gleicht bei der MTL3 eher einem kleinen Turm. Die Kamera beherrscht Zeiten von 1 bis 1/1000 Sekunden. Dabei funktionieren bei meinem Modell alle Zeiten korrekt, sogar die eine Sekunde funktioniert bei 20 Auslösungen 19 mal korrekt. Bei mechanischen Kameras dieses Alters hat man Glück, wenn die langen Zeiten noch so gut laufen. Zusätzlich verfügt diese Praktica noch über B und Blitz, dabei ist letztes einfach die Synchronzeit von 1/125 Sekunde.


Um die unter dem Zeitenrad untergebrachte Einstellung der Filmempfindlichkeit bedienen zu können, greift man das Rad mit zwei Findern, zieht es nach oben und dreht es dann so, wie man es zum einstellen der Zeiten auch machen würde. Dabei ist oben die Empfindlichkeit in Asa / Iso angegeben und unten die, aus der Mode gekommene, Empfindlichkeit in DIN. Die Skala reicht dabei von 16oo bis 12 Iso, der ungewöhnliche Wert von 12 könnte für Redscale Freunde interessant sein.


Bedienung Revuenon 55mm f1.7


Das Auto Revuenon 55mm f1.7 lässt sich fast wie jedes andere Objektiv bedienen. Fokusring mit Entfernungen von 0,5m bis Unendlich - in Fuß und den erwähnten Metern. Tiefenschäfeskala und Blendenring, dabei gibt es jeweils eine Zwischenstufe zwischen allen aufgedruckten Werten nur zwischen 16 & 11 und 2 & 1.7 fehlt diese.


Eine Besonderheit ist die Umstellung von Manuell auf Automatik, vor dem Blendenring. Hier kann man sich entscheiden, ob das Objektiv eine Blende bei sofort bei entsprechender Bewegung des Ringes einstellet ( oranges M ) oder ob die Linse auf das Signal der Kamera warten soll ( grünes A ).

Verwendet man das Revue 55mm f1.7 an der MTL3 im Automatik Modus, hat man den bereits erwähnten Vorteil bei offener Blende fokussieren zu können, muss aber zur Lichtmessung den schwarzen Taster ganz eindrücken, und dann eventuell nachsteuern. Verwendet man das Objektiv im M Modus so verzichtet man auf die offenblendige Fokussierung aber nun reicht es, den Taster kurz anzutippen um eine korrekte Messung zu erhalten, außerdem hat man immer einen genauen Eindruck von der Tiefenschärfe im späteren Bild, allerdings auch einen dunkleren Sucher. Die M Modus macht es übrigens auch möglich, das Revuenon 55mm f1.7 an M42 Kameras zu verwenden, die keine Kommunikation zwischen Objektiv und Kamera unterstützen wie Zenit E & ET.


Ein weiteres sehr angenehmen Feature des Revuenon ist das gute Design der Blendenlamellen. Ob ihr es glaubt oder nicht, hier seht ihr nicht die offenste Blende f1.7 sondern die Abblende f2. Wo die erste echte Blendenzahl des Maginon 50mm f1.7 eine deutlich Sägeblattform hatte, da ist das Revuenon butterrund. Ein sehr wichtiges Feature für Profis, Ästeten und Leute die gerne mal etwas selber ausrechnen.







Die häufig verwendete Blende 8 ist deutlich sechseckig aber das ist von den meisten Leuten eher gewollt als gefürchtet.


Das Reveunon besteht übrigens aus Stahl und hat eine kleine Kunstbelederung auf dem Fokusring mit dem von der Rollei 35 bekannten Tröpfchenmuster. Sowohl Blenden- als auch Fokusring sind leichtgängig, letzterer geht sogar fast einmal um das gesammte Objektiv herum und ermöglicht so eine präzisere Einstellung als beim Maginon, dessen Skala nicht mal bis zu hälfte um das Objektiv herum reicht. Dafür muss man aber beim Revuenon oft den Griff ändern. Steht das Revuenon gerade auf unendlich und man will schnell auf ein Objekt scharfstellen, welches sich in einem halben Meter Entfernung aufhält, kann das schon mal hektisch werden.


Filmladen und Entladen


Wie viele Kameras ihrer Generation auch hat die MTL3 hat versucht, das Laden etwas einfacher zu gestalten und das ist auch gelungen, das Laden ist etwas einfacher, aber auch nur etwas. So fällt das einfädeln des Film in eine Spule weg, dafür muss man aber die Lasche des Films in eine kleine Bahn fädeln, diese seht ihr übrigens hier im Bild. Sie liegt in dem kleinen Kästchen unten rechts, wo der pinke Pfeil hinzeigt. Wie gesagt, den Film in diese Schiene zu bekommen ist nur minimal einfacher als der übliche Weg mit der Spule. Repetiert man jetzt den Spannhebel wird der Film optimalerweise von der linken Spule transportiert und von der silbernen Spange der rechten erfasst und aufgewickelt. Optimalerweise, in der Regel erfasst die zweite Spule den Film nicht und man muss das ganze wiederholen, beim zweiten Mal klappt es dann meistens.

Übrigens hier noch mal an die Anfänger: Es ist normal die ersten 20cm des Film zum Einspannen zu nutzen, lieber ein Film der sicher in der Kamera sitzt als einer der nicht transportiert wird. Was ist euch lieber ein Bild weniger oder alle Bilder weniger?

Die Rückwand der MTL3 öffnet sich übrigens, wenn ihr den Knauf mit der Rückspulkurbel nach oben zieht. Was mit einem erheblichen Feuerwiderstand gesichert ist, versehentliches Öffnen ist hier also noch mal unwahrscheinlicher als bei anderen Modellen.


Via Kurbel Zurückspulen könnt ihr, sobald ihr einen Metallpin am Boden der Kamera eindrückt. Dieser liegt zwar offener als jener der Av-1, dafür muss man aber auch etwas mehr Kraft aufwenden um ihn einzudrücken. Übrigens findet sich neben dem Logo des VEB auch noch ein Stativgewinde und zwar genau unter dem Objektivgewinde, was für eine bessere Balance beim Verwenden schwerer Objektiven sorgt.


Auch liegt hier die Stromversorgung, denn auch wenn die MTL3 generell auch ohne Strom arbeitet, so benötigt die CdS Zelle für die Belichtungsmessung eine 625PX Batterie. Dabei habe ich das Glück, dass meine Kamera bereits eine enthielt, da diese über sich aussagt in W.-Germany hergestellt zu sein vermute ich mal, dass die MTL3 sehr sparsam ist was Strom angeht, denn die Zelle funktionier nach wie vor.


Sucher


Der Spiegel ist großzügig dimensioniert und lässt auch einen großen und hellen Sucher schließen. Allerdings muss dieses gewaltige Stück Glas auch entsprechend gedämmt werden, dazu dient jedoch keim bröselnder Schaumstoff wie bei der Av-1 sondern guter alter Gummi. Zieht man dies mit der Tatsache zusammen, dass hier reine Mechanik am Werk ist so sollte es für niemanden eine Überraschung darstellen, dass die MTL3 beim Auslösen eine entsprechende Geräuschkulisse produziert. Das gute Stück hat ein mächtiges Auslösegeräusch und ist alles andere als Museumstauglich.


Wer genau hinsieht, erkennt unten rechts einen Blitzkontakt. Die MTL3 hat also neben ihrem Hotshoe noch die weitere Möglichkeit noch einen oder eben einen anders gearteten Blitz anzuschließen. Leider fehlt dieser Praktica jede Form von Blitzautomatik und so bleibt der Hotshoe auf einen Mittelkontak beschränkt.


Aber riskieren wir mal einen Blick durch den Sucher. Dieser ist groß dimensioniert und so hatte ich auch keine Probleme, mit meiner Samsung L200 Fotos von ihm zu machen. Hier findet man die üblichen Werkzeuge zur Unterstützung bei der Fokussierung. Einen Schnittbildindikator, einen Mikroprismanring und noch einen Hilfsring, der lediglich anzeigt bis wohin der Einfluss der CdS Messzelle reicht.


Etwas ganz besonders nettes hat sich Pentacon mit dem schwarzen Dreieck am linken Rand einfallen lassen, dieses ist nämlich nur sichtbar, wenn die Kamera nicht gespannt ist. Vor ärgerlichen Leerschüssen wird also deutlich gewarnt.


Wie sicher von euch nicht anders erwartet, findet man links die Belichtungsanzeige. Drückt man den schwarzen Taster über dem Auslöser an oder durch, so bewegt sich die Nadel in Richtung Plus oder Minus, je nachdem ob eine Unter- oder Überbelichtung droht. Solange der schwarze Zeiger sich nicht im Kreis befindet ist eine korrekte Belichtung also nicht zu erwarten. Man muss also entsprechend auf- oder abblenden.

Leider ist es gar nicht so einfach, bei gedrücktem schwarzen Taster auch noch die Belichtungszeit zu ändern. Ganz im Geiste der Zeit ist es wohl eher damit gerechnet worden, dass die Leute eine Zeit fest vorwählen und zur Belichtungskorrektur die Blende ändern, wie es damals so üblich war.


Auch wenn der Sucher schön groß und geräumig erscheint, so hat er doch einen Hacken und zwar ist er recht unscharf. Auch wenn sich dies nicht auf die Qualität der Bilder auswirkt, wie rechts zu sehen, so ist es doch etwas irritierend, vor allem weil die Unschärfe zu den Rändern hin stark zunimmt.

Das Bild entstand übrigens im Herbst 2013 in Düsseldorf auf Agfa APX 100 Film. Hier könnt ich euch den Rest der Fotos ansehen.


Fazit

Die Parktica MTL3 ist eine meist sehr günstig zu bekommende Spiegelreflexkamera mit dem unübertreffbaren Nimbus der deutsche Hipster Kamera. Sie ist voll Mechanisch und arbeitet zur Not auch ohne Batterie. Sie ist mit der entsprechenden Batterie in der Lage, eine Belichtung durch die Linse ( ergo TTL ) vorzunehmen und kann dank kombinierte Abblend / Messtaste bei Offenblende Fokussieren. Jedoch brems einen das etwas fummelige manuelle Nachführen oft etwas aus und die Routine muss erst eingeübt werden. Der Sucher ist groß, hell, warnt vor nicht gespannter Kamera aber neigt zu Unschärfe besonders zu den Rändern hin.

Das Auto Revuenon kann zwischen Automatik und Manueller Blende umschalten und ist in Verbindung mit vielen Kameras verwendbar, mit einem Adapter arbeitet es selbst mit modernen Eos Kameras von Canon zusammen. Es ist lichtstark und verfügt über eine perfekt runde Blende f2, seine Fokussskala umfasst das gesamte Objektiv was genaue Einstellungen erleichtert aber schnelles Fokussieren von einem Ende zum Anderen erschwert. Leider ist es in der letzten Zeit stark im Preis gestiegen.


Look

Die MTL3 passt meiner Meinung nach eher zum schicken Style mit Hemd, Hosenträgern und Fliege. Aber auch mit zugeknüpftem Holzfällerhemd lässt sich diese Kamera gut spazieren tragen.

Wenn ich dazu komme, kommen hier auch noch zwei Beispielbilder rein, könnte aber dauern, schließlich benötigt die AV-1 auch noch eines.

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